Schöne Tristesse von Maura Morales Drama der Einsamen

« zurück

Eine Frau in schwarz-weißem Kleid betritt ihr Appartement, geht auf die Toilette, wäscht sich die Hände, isst einen imaginären Apfel. Wenn sie läuft, wirkt sie wie Roboter. Jede Bewegung ist hart und kantig, nur wenn sie lächelt, und das ist selten, hat sie etwas Menschliches.

Maura Morales gibt Einblick in die intime Lebenswelt eines Individuums, das zu Grunde geht zwischen Sofa und Küchenzeile. Der Titel ihres Solos ist „Wunschkonzert“, das (inspiriert von Franz Xaver Kroetz gleichnamigem Monodrama) im Rahmen von „Tanz NRW 13“ zu sehen war. Im Pumpenhauses steht die Tänzerin und Choreographin als emotional verarmte, einsame Frau, die sich selbst kaum noch zu spüren scheint.

Schon allein Claudio Capellinis Bühne – drei Wände, auf denen, schwarz-weiß gezeichnet, sämtliche Gegenstände der Wohnung abgebildet sind – strahlt Kälte aus. Kein Polster ist da zum Anlehnen, kein weiches Bett, noch nicht einmal eine echte Flasche Wein. Wenn sie trinken möchte, muss sich die Frau tief bücken, denn Flasche und Glas stehen auf dem artifiziellen Teppich. Auch wenn sie sich ausruht, liegt sie auf dem harten Boden, die Hände zwischen den Oberschenkeln, als wollte sie sich auf diese Weise wärmen.

Eine Kollage aus Geräuschen, klappernden Kaffeelöffeln oder knarrendem Holz (Musik: Michio) vermittelt häusliche Atmosphäre im surrealen Raum, das tägliche Einerlei, ohne Höhen und Tiefen. Abwechslung bietet nur das „Wunschkonzert“, eine weibliche Stimme aus dem Radio, die diese seltsam-schöne Frau auch noch mit ihrer Einsamkeit konfrontiert. Dabei hat sie die Hoffnung noch nicht aufgegeben: Immer wieder blickt sie zur Tür, macht sich sogar hübsch, als wartete sie auf einen Retter aus dieser unmenschlichen Kälte – vergebens.

Maura Morales ist eine versierte Tänzerin mit Charisma. Großartig, wie sie der inneren Verkrampfung ihrer Protagonistin auch noch in kleinsten Gesten Ausdruck verleiht und berührend, wenn sie schließlich unter Tränen rote Rosenblätter isst, weil die Liebe doch nicht kommen wird. Ein eigenwilliges, bezwingendes Tanzstück.

Westfälische Nachrichten, 6.5.2013

« zurück