Pressestimmen zu “Don Nadie- Herr Niemand”

Pressestimmen zu “Don Nadie- Herr Niemand”

 Geschichten erzählen mit Mitteln des Tanzes ist ein beschwerliches Unterfangen, vor allem, wenn es sich um ein Problem wie Obdachlosigkeit handelt. Da droht der Sozialkitsch.

Es lauert die Gefahr der Verharmlosung und der Überemotionalität, will man daraus ein Kunststück machen. Nun hat der Körper wahrlich zahlreiche Ausdruckmöglichkeiten. Diese für die Thematik zu nutzen, war die Aufgabe der Tänzerin und Choreografin Maura Morales, Kubanerin mit Wohnsitz Düsseldorf. Und ebendort fand die Premiere ihres neuen Stückes „Don Nadie“ im Kulturzentrum „Zakk“ statt.
Nachdem die international erfolgreiche Tänzerin, Preisträgerin bei vielen Festivals, in ihrer Heimatstadt Düsseldorf auf Obdachlosigkeit gestoßen ist, hat sie das Thema nicht mehr losgelassen. Sie musste einen künstlerischen Ausdruck dafür finden. Das braucht Zeit. Sie recherchierte, hat unter den Obdachlosen „Mitstreiter“ gefunden und bekam Unterstützung durch das Straßenmagazin „Fifty-Fifty“.
„Personen ohne Publikum“ nennt sie die Wohnungslosen, von denen wir vielleicht den Rhythmus kennen, aber nicht ihre Geschichten. Nach der Premiere hörte ich eine der Betroffenen sagen: „Meine Geschichte habe ich gar nicht erkannt, aber es war trotzdem sehr gut.“ Man kann behaupten: Hätte man ihre Geschichte erkannt, wäre nicht dieses Kunstwerk dabei herausgekommen. So war das Tanzstück, um das das Publikum im Kreis saß, mit dem nötigen Abstand und dem Sinn für das Künstlerische choreografiert.
Maura Morales selbst, sowie ihre Tänzer Matthias Kass, Matthew Branham und Anthony Kirk verstanden es in ihrer Unterschiedlichkeit, durch Soli, Duette und Gruppensequenzen gebrochene Lebensläufe aufzureißen und assoziative Bilder zu schaffen, so dass dieThematik nicht in die Mitleidsecke drückte. [...]Die Live-Musik des Komponisten Michio war ein integraler Bestandteil der Inszenierung.
Elektronisch verfremdete Gitarrenlaute verbinden sich mit atmosphärisch tragenden Sounds.
Rolf Dennemann, Revierpassagen 6.12.2013

 

Schonungslos frontal

[...] “Don Nadie” (Herr Niemand) von Maura Morales-ein beunruhigendes Stück. Zur von Michio live gespielten Klangkollage zwischen Kratzgeräuschen, Schlägen, verfremdeten Gitarrenklängen und nervösen Breakbeats, die wie zufällig an der S-Bahnstation zu einem herüberwehen, ließ die Choreografin und Tänzerin Maura Morales sich selbst, Matthew Branham, Matthias Kass und Anthony Kirk als auf der Straße gestrandete Figuren aufeinandertreffen. Drogensüchtigen, Irre, von Einsamkeit, Aggression und Selbstaggression geschüttelte Menschen. Der ganz normale Wahnsinn, in der S- Bahn verschämt aus den Augenwinkeln heraus beobachtet- hier schonungslos frontal. [...]hier zittern, vegetieren und tanzen Individuen um ihr Leben. Am Ende steht Anthony Kirk nackt auf der Bühne, was die Peinlichkeit und das Unbehagen des ertappten Voyeurs, des heimlichen Beobachters fremden Elends vollkommen macht.
Bernhard Haage, Schwäbisches Tagblatt, 11.2.2014

 

Don Nadie – Herr Niemand

 Applaus für eine gleichsam kunst- und würdevolle Auseinandersetzung mit Obdachlosigkeit, für einstündiges Staunen und für einen in jeder Hinsicht herausragenden Tanzabend. Am 15. Februar Applaus für das FFT Düsseldorf!
Es hätte so schlimm werden können. Vorgewarnt durch einen getanzten Flugzeugabsturz und Performance-Langeweile waren die Erwartungen an einen weiteren Ausflug in die Tanzszene bescheiden. Doch was Maura Morales mit ihrer fünfköpfigen Compagnie auf die Bühne bringt ist atemberaubend und beweist die Kraft des zeitgenössischen Tanztheaters mit Körpern darzustellen, was sich dem Medium der Sprache entzieht.
Genaue Beobachtung und intensive Recherche in der Straßenszene Düsseldorfs bildeten die Grundlage für diesen Abend. Als Bürger der Stadt erkennt man individuelle Züge einzelner Berber genauso wie bestimmte Phänotypen. Die vier Tänzer schälen sich unter ihren Decken in den Bühnenecken hervor und verkörpern die Desillusionierung, Planlosigkeit und Depression vieler Obdachloser in zunächst langsamen, ziellosen Bewegungen. Collagierte O-Töne überlagern sich und deuten währenddessen Einzelschicksale an. Das Zittern, der Entzug, Verrohung aber auch Sehnsucht finden pointiert stilisierte Entsprechungen in dem Bewegungsvokabular der zwei weiblichen und zwei männlichen Figuren.
Zu verzerrter Gitarre und einem elektronisch-eklektischen Soundtrack, der an Trentemoeller erinnert, entwickelt sich eine zwischen Aggression und Leidenschaft changierende Dreiecksbeziehung. In herausragender Präzision umgreifen, übersteigen und umschreiten sich die Tänzer auf engstem Raum. Zwei Liebende, ein dazwischendrängender Dritter und ein einsamer Vierter bilden den Ausgang für eine athletische Bewegungsarbeit, die bei aller Ästhetisierung immer erkennbare Züge der Dargestellten trägt. Die Tänzer fassen einander in die Mundräume, übersteigen und überwerfen einander, lecken Hände und Füße und schaffen so eindrucksvolle Bilder intensiver Rohheit und Gewalt.
Den Tänzern mit ihren makellosen Körpern gelingt es, die so konträr von Selbstaufgabe und körperlicher Verwahrlosung geprägte Straßenszene glaubhaft darzustellen. Neben Maura Morales beeindruckt vor allem Anthony Kirk, der eine einsame Frau darstellt, die ihre Sucht nach Anerkennung mit der vulgären Ausstellung ihres Körpers zu befriedigen sucht. Gescheiterte menschliche Beziehungen und die daraus resultierende Isolierung werden klar als Ursache für den Absturz auf die Straße gezeichnet.
Auf dem Weg nach Hause lagert eine Frau mit ihrem Hausstand unter einem Vorsprung. Dieser Abend wird ihr nicht helfen, aber er schafft Bewusstsein für Verdrängtes.

Jan-Paul Laarmann, Der kritische Claqueur,15.2.2014

 

Bilder von Armut und Depression

[...] Morales und ihre Mittänzer Matthew Branham, Matthias Kass und Anthony Kirk erzählten in verstörenden Bildern vom zermürbenden Alltag von menschen in Obdachlosigkeit von Alkoholsucht und kaltem Entzug, von Armut und Depression.
[...] Die Tänzer gaben in der knapp eine Stunde währenden Aufführung ihr Äußerstes, überzeigten einzeln wie im Ensemble. Am ende fühlte man sich als Zuschauer wie durch die Hölle gegangen. Sämtliche Akteure ernteten frenetischen Applaus.
Christoph B. Ströhle, Reutlinger General- Anzeiger, 10.2.2104

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